Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob. (Römer 15,7)
Liebe Gemeindeglieder unserer Pfarrbezirke, liebe Freunde,
diese Jahreslosung hat mich nach unserem Südafrika-Urlaub ganz besonders angesprochen. Die meisten werden es wissen: Bis 1994 herrschte in Südafrika das sogenannte Apartheidssystem. Es wurde getrennt zwischen der ursprünglichen schwarzen Bevölkerung und den weißen Einwanderern: Es gab getrennte Toiletten, Bahnabteile, Badestrände und Schulen. Auch wenn es das System nicht mehr gibt – die Fremdheit ist geblieben – auch vonseiten aufgeklärter Europäer, wie die folgende Geschichte zeigt.
In Pretoria haben wir bei Verwandten übernachtet, einer sehr aufgeschlossenen und fortschrittlichen Familie. Trotzdem hatten sie eine schwarze Haushaltshilfe. Also hab‘ ich die dreckigen Bestecke und Flaschen aus unserem Flugzeug-Rucksack nicht einfach an die Spüle gestellt. Ich wusste ja: Dann muss Kathrina, so hieß sie, die Sachen abwaschen. Sondern ich hab‘ unsere Sachen schnell selbst abgewaschen. Und fand mich dabei ziemlich fortschrittlich und offen.
Als ich das ein paar Tage später unserer Gastgeberin erzählte, huschte ein wissendes Lächeln über ihr Gesicht. „Ja, da hast Du das Gute gewollt. Aber Du hast Kathrina damit tödlich beleidigt. Unseren Haushalt zu führen, ist ihr Beruf. Damit verdient sie ihr Geld, womit sie wiederum ihre komplette Familie finanziert.“ Und sie fuhr fort: „Als wir neulich eine Spülmaschine angeschafft haben, um Kathrina die Arbeit ein bisschen zu erleichtern, war sie stinkwütend. Sie hat zwei Wochen nicht mit uns gesprochen. Und auch jetzt noch gibt sie sich alle Mühe, das Geschirr schnell zu spülen, bevor ich es in die Spülmaschine räumen kann.“
Dieses Erlebnis hat mir gezeigt: Von außen über andere und ihr Verhalten zu urteilen, funktioniert nicht. Selbst dann, wenn ich dem anderen gern helfen möchte. Der einzige Weg zum Annehmen des andern bleibt das Kennenlernen – auch in nordwestdeutschen Kirchengemeinden.
Eine segensreiche Passionszeit im Versuch, andere kennenzulernen und anzunehmen, wünscht – auch im Namen von Pfarrer Reitmayer –
Ihr Pfarrer Johannes Heicke